Generalprobe Teil 2
Von der Probe bis zum Dreh.
von Katharina Schäfer
freie Autorin / Projektteilnehmerin des eMotions-projects
Inzwischen ist auch Helen eingetroffen. Die Tänzerin hat gemeinsam mit Cary das Solostück „Hass“ erarbeitet, welches Rassismus im Leben junger schwarzer Mädchen behandelt. Während Helen sich aufwärmt unterhalte ich mich mit Nadine und Anni über das eMotions-project. Nadine erzählt mir, was sie an diesem Projekt besonders schätzt:
„Es kommen verschiedene Leute aus verschiedenen Altersklassen und Gesellschaftsgruppen zusammen und jeder hat andere Perspektiven auf bestimmte Themen. Ich find es interessant, wie jeder seine eigene Geschichte mitbringt und das in ein Stück verpackt, damit man das auch visuell sieht und nicht nur hört.“
Dann ist Helen bereit, uns ihr Stück zu zeigen. Es beginnt mit einem Schrei und ich bin sofort gefesselt. Helen transportiert eine LKW-Ladung an Emotionen durch den Raum, die alle Anwesenden in ihren Bann zieht. „Heute bin ich nicht so fit“, sagt Helen zum Schluss. Doch das tut der Authentizität ihrer Gefühle keinen Abbruch. Über ihr Stück sagt sie: „Ich möchte zeigen, dass man nicht immer weiß, was Menschen durchmachen beziehungsweise durchgemacht haben und was sie geformt hat. Eigentlich hab ich das Thema abgeschlossen. Das hat mich echt mein ganzes Leben begleitet; diese Wut, diese Ungerechtigkeit. Ungerechtigkeit kann ich gar nicht ab, das ist bei mir ein Riesenthema.“ – und das merkt man. Helen’s Stück ist sehr kraftvoll und konfrontiert uns mit einem Thema, dem wir mehr Aufmerksamkeit widmen sollten.

„Das eMotions-project ist einfach so eine tolle Sache“, erzählt mir Helen. „Emotionen dürfen gelebt werden, Gefühle dürfen gefühlt werden. Ich find‘s super dass wir dieses Projekt haben und ich bin so dankbar, dass ich dabei sein darf. Eigentlich passt Hass ganz gut zu mir, auch wenn ich nicht mehr die Person bin, die jetzt ausrasten würde. Damals war ich diese Person. Das hat mich verschluckt und ich war innerlich verbittert. Ich hatte diese Wut in mir. Ich hab am Anfang wirklich damit gehapert. Ich dachte mir „Das bin ich nicht mehr. Kann ich nicht ein anderes Thema haben? Kann ich nicht „Liebe“ haben?“ (lacht) Aber jetzt merk ich, dass das schon ein gutes Thema war.“

Der Kontrast zwischen den beiden Stücken „Hass“ und „Selbsthass“ ist riesig, und doch haben beide etwas gemeinsam. Auf eine jeweils individuelle, eindrückliche Weise werden den Zuschauenden Gefühle mitgeteilt, die jeder Mensch auf seine eigene Art kennt. Es handelt sich um unangenehme Gefühle – jene, die man lieber meiden möchte und dennoch ständig mit ihnen konfrontiert wird. Gefühle, bei denen man froh ist, sie nicht allein durchstehen zu müssen und denen das eMotions-project genau hierfür eine Plattform bietet – um sie mit anderen teilen zu können. Das ist auch Cary ein großes Anliegen: „Das Projekt ist sehr vielschichtig. Ich habe erlebt, wie jeder und jede gewachsen ist und sich mit den eigenen Emotionen auseinandergesetzt hat; oft sind dabei bisher ganz unbewusste Emotionen zum Vorschein gekommen. Mir war es sehr wichtig mit diesem Projekt einen Safe Space zu kreieren, in dem ich mir für jede Person viel Zeit genommen habe und intensiv auf die persönlichen Geschichten und Ausdrucksformen eingegangen bin. Dabei konnten die Projektteilnehmer*innen sich mir öffnen und wir haben viel voneinander gelernt. Es wurden zwar Wunden aufgerissen und es war teilweise sehr schmerzhaft, so ehrlich zu sein, aber am Ende hat sich etwas gelöst. Ich habe von einigen das Feedback bekommen, dass das Projekt wie eine Heilung oder eine Befreiung gewirkt hat.“
Im nächsten Beitrag berichte ich von dem aufregenden Videodrehtag mit Anni und Nadine – von einem außergewöhnlichen Studio, komplexen Special Effects und spontanen Planänderungen.
Besuch uns nächste Woche wieder im eMotions-Blog!
Eure Katharina