LUCIANA MUGEI – Ich liebe deutsches Brot

Tanzpädagogin, Tänzerin und Sozialpädagogin

Im ersten Lockdown im März 2020 und auch im Rahmen der Black-Lives- Matter-Bewegung hatte Luciana die Idee, eine Gruppe zu gründen, in der sich POC-Menschen treffen und austauschen können. Sie hatte das Bedürfnis, zu hören, wie andere Menschen, die täglich ähnliche Erfahrungen machen wie sie, mit Diskriminierung und Rassismus umgehen. Zu dieser Gruppe hatte Luciana mich auch eingeladen und bei einem dieser Treffen, erzählte ich ihr von diesem Projekt. Luciana fand es auf Anhieb spannend und ich freute mich sehr, dass sie sich bereit erklärt hat an unserem Kreativprojekt, bei den Empowerment Talks und jetzt auch an unseren eMotions -Interviews teilzunehmen.

Luciana Mugei ist 44 Jahre alt und eine heterosexuelle Cis-Frau. Geboren ist sie in Berlin (West), aufgewachsen in Berlin, Brackenheim, Leonbronn (Zabergäu) und in Schauenstein/Hof (Bayern).

Luciana wonach strebst Du in Deinem Leben?

Ich strebe danach, die beste Version meiner selbst zu sein. Das Bestmöglichste zu geben, was in jedem einzelnen Moment möglich ist. 

Hast du Diskriminierung erfahren?

Ja, sehr oft schon. Angefangen von Ausgrenzung und Mobbing in der Grundschule. Da wurde ich in der Pause verfolgt, nur weil ich anders aussah. Die Mädchen haben sich mich ausgesucht und sind mir als Pulk in jeder Pause hinterhergelaufen. Überall hin…. Auch habe ich eine „Andersbehandlung“ bei uns im Dorf (Nachbarn, Läden, etc.) erfahren. Wir wurden entweder gar nicht oder nicht sehr freundlich gegrüßt. Die Verkäuferinnen in den kleinen Läden waren unfreundlich, es wurde über unsere Familie geredet. Jeder wusste über uns Bescheid. Jeder hatte eine Meinung über uns. Wir wurden genau beobachtet. Es gab unzählige Übergriffe, körperlich sowie verbal. Als Frau, als Schwarze… Angefangen vom „Klassiker“- in die Haare greifen, über die klare Aussage – ich hätte mein Zimmer in der WG nicht bekommen, wenn die Vermieterin gewusst hätte, dass ich Schwarz bin – bis hin zum N-Wort. Dann kam es einmal sogar zu einem tatsächlichen Angriff von Neonazis, bei dem wir zum Glück alle unverletzt davon kamen…

Was ist für Dich Hass?

Aus meiner Sicht ist Hass kein Zustand, der einfach so da ist. Hass entsteht. Hass baut sich auf aus einer Reihe von Verletzungen, unbefriedigten Bedürfnissen und Demütigungen. Er ist ein Symptom. Er ist ein verblendeter Zustand. Im Hass ist man blind. Man nimmt nicht mehr war, man blendet aus, sieht nicht mehr richtig. Das ist gefährlich. Wenn man mit geschlossenen Augen um sich schlägt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man andere und sogar sich selbst trifft. Im Hass kann man gar nicht anders als Schaden zu zufügen – anderen und letztlich auch sich selbst. 

Hast Du schon mal Hass empfunden?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon einmal Hass empfunden habe. Ich war wütend, ja, sehr wütend. Habe Aggression und Abscheu empfunden, aber Hass? 

Was hast Du an Deutschland?

Wir leben in einem freien Land, in dem man sich äußern und wehren darf. Wir haben Grundrechte und eine demokratisch gewählte Regierung. Wir dürfen unsere Meinung äußern, ohne existenziell bedroht zu sein. Deutschland ist ein wunderschönes Land, abwechslungsreich und sehenswert. Ich liebe deutsches Brot. Deutschland ist mein zu hause, meine Familie, meine Freunde, meine Vergangenheit, meine Erinnerungen. Ich bin hier geboren, hier fühle ich mich zugehörig.

Was hasst Du an Deutschland?

Ich mag das Jammern nicht. Über das Wetter, über das schlechte Essen in der Kantine, etc…. Es gibt vieles worüber man sich beschweren kann. Ich finde es ist Zeit- und Energieverschwendung für die jammernde als auch die zuhörende Person, da es nirgend wo hinführt. Das Festhalten an Altem, Überholtem und Aussagen wie: „Das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch weiterhin so!“ Ich wünschte mir mehr Offenheit für neue Denkweisen, flexiblere unkomplizierte Wege und Lösungen. Ich wünschte mir, Deutschland würde mehr über den Tellerrand hinaus schauen, und sich von gut funktionierenden Wegen anderer Länder inspirieren lassen (z.B. in der Bildung).

Die Mentalität, auf sein Recht zu pochen und der Egoismus der dabei mitschwingt. Ich beobachte das in kleinen Alltagssituationen bspw. beim Autofahren, in der Schlange beim Einkaufen, wenn eine neue Kasse geöffnet wird, etc. 

Es macht mich wütend zu sehen, dass es ein reiches Land wie Deutschland zulässt, dass viele seiner Kinder und Jugendliche immer noch nicht die gleichen Bildungschancen erhalten; ob ein Kind erfolgreich die Schule absolviert, hängt hier immer noch stark vom Elternhaus der Kinder ab. Das ist nicht fair.

Wenn überhaupt Veränderung in der Bildung entsteht, dann geht es mir zu langsam und schleppend voran. 

Was soll sich für Dich in Deutschland ändern?

Mehr Offenheit und Flexibilität.

Deutschland sollte all die Kulturen, Sprachen, Herkünfte, Religionen die hier existieren respektieren und wertschätzen. Wir leben in einem bunten Land voller Vielfalt. Das ist eine große Bereicherung. Warum gibt es in der Schule Religion beispielsweise nicht als neutrales Fach, ohne Konfession, ohne Trennung zwischen den einzelnen Religionen? Hier könnte man die Gemeinsamkeiten herausarbeiten, sich gemeinsam auseinandersetzen und Verständnis für einander erlernen. Ich wünschte mir, Deutschland wäre hier offener, mutiger.

Ich wünsche mir geschichtliche Aufarbeitung des Kolonialismus.

Ich wünsche mir ein aktiveres gesellschaftliches und politisches Gegensteuern gegen Diskriminierungen und Übergriffe jeglicher Art.

Was wünscht du Dir für den weiteren Weg unseres Projektes?

Ich wünsche mir weiterhin einen so offenen und mutigen Austausch und Auseinandersetzung mit den oft nicht leichten Themen. Ich wünsche mir, dass wir im Winter unsere Perfomances live vor Publikum zeigen können. Und ich wünsche mir, dass wir mit diesem Projekt einen kleinen Beitrag leisten können, Menschen aufmerksam zu machen, zum Nachdenken anregen und vielleicht sogar zum Umdenken bewegen können.

Foto von: Yakup Zeyrekbei: Open Stage, Moderner Tanz, TTW, 1.11.2018

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